10) Abriss eines Kulturdenkmals

Am ehemaligen Standort des Burghauses der Burg Plettenberg - nach einem späteren Besitzer Haasesches Haus genannt - erinnert heute nur noch die Tafel 10 des Geschichtspfades an eines der äl­testen Wohngebäude Deutschlands.

Um 1100 durch die Familie von Plettenberg erbaut, war die Burg der Hauptgrund für die Umbenennung des Ortes Heslipho zu »Plettenberg«. Das 4500 qm große Burggelände zog sich ursprünglich von der ehemaligen Kornmühle am Umlauf (Dunkelsche Mühle) bis zur Haltermannsbrücke, am rechten Elseufer aufwärts bis zur Einmündung der Oester in die Else und von dort oesteraufwärts bis zur Mühle zurück. Nach dem Umzug der Familie von Plettenberg in die Burg Schwarzenberg diente das Burggelände als Bauland für die Bevölkerung. Einzig das Burghaus und die Dunkelsche Mühle konnten bis ins 20. Jahrhundert bestehen. Im Oktober 1958 schließlich wurde das Haasesche Haus abgerissen.

Wie es zu dieser heute unverständlichen Tat kommen konnte, soll im Folgenden dargestellt werden:

Nach einem Ratsbeschluss im Jahr 1954 sollte das seit einigen Jahren der Stadt gehörende Haasesche Haus zu einem Jugendheim umgebaut werden. Als man jedoch erkannte, dass die Räumlichkeiten für diesen Zweck nicht ausreichten, beschloss der Rat 1955, das Jugendheim in einem Erwei­terungsbau unterzubringen und das Haasesche Haus für die Volksbücherei, einen Leseraum, das städtische Archiv und ein Heimatzimmer zu nutzen. In dem anzu­bauenden Flügel sollten mehrere Gruppenräume des Jugendheims, ein Saal für größere Veranstaltungen und drei Klassenräume für die »Hilfsschule« untergebracht werden.

Man begann mit dem Bau eines dem Burghaus nachempfundenen Erweiterungsgebäudes. Dabei wurde - sei es aus Unüberlegtheit oder schlicht aus mangelnder Kompetenz - ein Hausläufer des Burghauses entfernt, der für das Gesamtgebäude eine tragende Funktion hatte. Dieser Eingriff in die Statik war ein großer Fehler, den sogar der Kultusminister von NRW als »Verwahrlosung und rücksichtslose Baumaßnahme« verurteile­. Dieser Schaden trieb die Renovierungskosten des Hauses erheblich in die Höhe, so dass der Stadtrat am 29.081957 nach einer gemeinsamen Besichtigung mit Vertretern des SGVs und dem Landeskonservator befand, dass der »bauliche Zustand die Erhaltung des Gebäudes nicht mehr rechtfertige«. Am 6.12.1957 schließlich erteilte der Landeskonservator die Abbruchsgenehmigung.


Handzeichnung des Haaseschen Hauses

Nun wurde eine Idee laut ausgesprochen, die schon seit langem in den Köpfen einiger übereifriger Umgestalter gespukt hatte: Das Burghaus und die Dunkelsche Mühle sollten abgerissen werden, um die innerstädtische Verkehrsführung zu mo­dernisieren. Verzweifelt appellierten aufgebrachte Bürger wie Heinrich Engel durch Leserbriefe in der heimischen Zeitung an die Vernunft der Stadtvertreter. So verlor laut Engel

»Plettenberg [...] mit dem Haaseschen Haus, abgesehen von den beiden alten Kirchen, seinen einzigen und letzten Baubesitz aus mittelalterlicher Zeit«.

In einem eindringlichen Brief an Stadtdirektor Lenjer beschrieb der damalige Stadtarchivar Albrecht von Schwartzen den bedeutenden Wert des Burghauses:

»Was würden da unsere alten Nachbarstädte im Ruhrgebiet nicht alles tun, wenn sie noch über solche Gebäude verfügten!«

Trotz aller Anstrengungen engagierter Bürger und Vereine blieb die Stadt hart. Selbst der Kultusminister von NRW, der am 6.10.1958 in einem Brief an den Stadtdirektor unter Berufung auf Artikel 18 der Landesverfassung die Stadt an ihre Verantwortung für dieses kulturelle Erbe erinnerte, konnte den Rat nicht mehr umstimmen. Sogar sein Entgegenkommen in Form der Bereitstellung von »Mitteln für die Instandsetzung und einen Umbau des Haaseschen Hauses« stieß auf taube Ohren. Der Stadtrat hatte sich offensichtlich in eine ldee verbohrt, von der er nicht mehr lassen wollte. Unverständlich bleibt dennoch die folgende Aussage aus dem Antwortschreiben des Stadtdirektors: Das Haasesche Haus sei ein »Gebäude, über dessen baukünstlerischen Wert man streiten kann«.

Der Abbruch des Hauses war ein trauriges Zeichen von Sturheit, Intoleranz und Einsichtslosigkeit des Stadtrates. Das Haasesche Haus, das mehr als zehn Generationen, den 30 jährigen Krieg, den Stadtbrand und zwei Weltkriege überlebte, fiel im Oktober 1958 der Spitzhacke zum Opfer. Fakt ist, dass das Burghaus durchaus noch stehen könnte, wenn man nicht blind dem Neugestaltungstrend der Nachkriegszeit gefolgt wäre.

Das Haasesche Haus, erbaut ca. 12.Jahrhundert
Das Haasesche Haus, erbaut ca. 12. Jahrhundert
Das Haasesche Haus, erbaut ca. 12. Jahrhundert
Das Haasesche Haus, erbaut ca. 12. Jahrhundert
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